Haushalt 2021
Rede am 29.06.2021; es gilt das gesprochene Wort
Sehr geehrter Herr Bürgermeister,
sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,
sehr geehrte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Gemeinde,
sehr geehrte Bürgerinnen und Bürger,
die Erwartungen an unseren neuen Bürgermeister waren hoch. Denn er hatte im Wahlkampf damit geworben, anders als seine Vorgängerin mit seiner Verwaltungserfahrung alles besser machen zu können. Deshalb waren wir gespannt, wie denn der erste unter seiner Verantwortung und mit Unterstützung durch die Grünen aufgestellte Haushalt aussehen und was er gegenüber den früheren Haushalten verbessern wird.
In seiner Haushaltsrede stellte der Bürgermeister heraus, dass es ihm wichtig sei, vorausschauend zu handeln und im Sinne unserer Kinder und Enkelkinder langfristig und nachhaltig zu denken und zu planen. Weiter betonte er, dass es zur Generationengerechtigkeit gehöre, den Schuldenberg nicht weiter anwachsen zu lassen, denn die Schulden und Kredite von heute seien die Zinsbelastungen von morgen. Vergessen hatte er bei dem Satz wohl, dass die Schulden neben den Zinszahlungen auch getilgt werden müssen. Aber lassen wir das mal dahingestellt; was der Bürgermeister da sagte, hörte sich ja erstmal ganz gut an.
Folglich gingen wir als SPD-Fraktion mit großen Erwartungen daran, den Haushaltsentwurf 2021 und die zugehörige Mehrjahresplanung bis 2024 durchzuarbeiten. Kaum hatten wir mit dem Lesen des Haushaltsentwurfes begonnen, stellte sich auch schon die Ernüchterung ein. Denn an keiner Stelle des Haushaltes und der Mehrjahresplanung findet man Ansätze für Nachhaltigkeit, Generationengerechtigkeit oder Schuldenabbau. Mehr noch, das Defizit war in den vergangenen Jahren noch nie so hoch wie in den Jahren 2021 bis 2024 geplant. Ende 2021 weist der Haushaltsentwurf ein Defizit von 5,76 Mio. Euro aus. Im Jahr 2022 werden es sogar 7,7 Mio. Euro sein. Möglicherweise werden diese Defizite um rund 400.000 Euro geringer ausfallen, wenn es dem Bürgermeister gelingt, angekündigte, aber bisher nicht konkret benannte Einsparungen zu realisieren.
Der Pflicht, ein Haushaltssicherungskonzept aufzustellen, entgeht die Gemeinde nur, weil ein Teil der Verluste coronabedingten Mindererträgen oder Mehraufwendungen zugerechnet wird. In der Summe sind das bis 2024 rund 8,4 Mio. Euro, um die das ohnehin schon geplünderte Eigenkapital zeitversetzt ab 2025 und zusätzlich zu den „regulären“ unterhalb der HSK-Grenze geplanten Verlusten aufgezehrt werden soll.
Im Jahr 2022 plant der Bürgermeister wie schon gesagt einen Verlust von 7,7 Mio. Euro. Ein Defizit in zuvor nie gekannter Höhe. Ein Defizit in dieser Höhe überschreitet deutlich den Grenzwert für ein Haushaltssicherungskonzept und belastet wie nie zuvor spätere Generationen. Die Grünen haben im Haupt- und Finanzausschuss angesichts des vom Bürgermeister geplanten Defizits dann die Reißleine gezogen und eine Vorverlegung der erst für das Jahr 2023 geplanten Steuererhöhungen gefordert. Damit haben sie sich – vordergründig – aus der Pflicht herausgewunden, ihren Wählerinnen und Wählern erklären zu müssen, warum sie es mittragen, dass spätere Generationen unsern heutigen Wohlstand bezahlen sollen. Für den Verzicht auf Steuererhöhungen im Jahr 2021 hat die SPD-Fraktion angesichts der coronabedingten Belastungen für die Bürgerinnen und Bürger noch Verständnis. Ein weiteres hinausschieben von Steuerhöhungen wäre für sie jedoch auch nicht akzeptabel gewesen.
Was bleibt ist ein Haushalt, der keine Perspektiven für einen früher von CDU und Grünen immer geforderten strukturell ausgeglichenen Haushalt aufzeigt. Selbst mit der geplanten Erhöhung der Grundsteuer um 130 Prozentpunkte und der Gewerbesteuer um 50 Prozentpunkte wird das Defizit im Jahr 2022 die Grenze für ein Haushaltssicherungskonzept überschreiten, also weit entfernt sein von einem strukturell ausgeglichenen Haushalt. Einem derart, auch unter Berücksichtigung der coronabedingten Besonderheiten perspektivlosen Haushalt werden wir nicht zustimmen. Wie die Grünen dies tun können, ist für uns trotz der nunmehr auf das Jahr 2022 vorgezogenen Steuererhöhungen mehr als unverständlich, sind sie doch in den vergangenen Jahren für Generationengerechtigkeit eingetreten.
Weiter sehen wir kritisch, dass das Personal von 163 auf 177 Stellen erhöht werden soll, was den Haushalt über viele Jahrzehnte mit jährlich über einer halben Million Euro zusätzlich belasten wird. Ganz zu schweigen davon, dass der Platz im Rathaus für die hohe Anzahl an Beschäftigten nicht mehr für alle Beschäftigten ausreicht. Rund 22.000 Euro sind allein im Jahr 2021 für die Anmietung von Büroflächen veranschlagt.
Das größte Eigentor hat der Bürgermeister aber mit der Einstellung eines persönlichen Referenten geschossen. Dieser soll die Arbeit des Verwaltungsvorstandes koordinieren, also eine Aufgabe wahrnehmen, die der Bürgermeister eigentlich selbst erledigen müsste. Diese Aufgabe hatte die frühere Bürgermeisterin Renate Offergeld nicht auf Mitarbeiter abgeschoben, obwohl man es ihr als verwaltungsunerfahrene Amtsträgerin eher hätte zugestehen können als dem Verwaltungsfachmann Schmidt.
Bleibt noch zu erwähnen, dass die Verschuldung der Gemeinde auf schon lange nicht mehr gekannte Höhen steigen wird. Ende 2021 wird die Gemeinde bereits mit rund 65 Mio. Euro verschuldet sein. Das ist etwa das Doppelte unserer jährlichen Erträge.
Hohe Defizite, hohe Personalkosten und ein anwachsender Schuldenberg sind nicht generationengerecht. Wo bleiben die Konzepte für den auch vom Bürgermeister angestrebten strukturell ausgeglichenen Haushalt? Die Generationengerechtigkeit gebietet es, Schulden nicht weiter auf die nachfolgenden Generationen abzuwälzen. Folglich müssen die heutigen Steuerzahler ihren Beitrag dazu leisten, das Defizit und den Schuldenberg nicht weiter anwachsen zu lassen. Konkret geht das aufgrund der kommunalen Finanzstrukturen nur durch Erhöhung der kommunalen Steuern, insbesondere der Grund- und Gewerbesteuer. Renate Offergeld hatte dafür zu Beginn ihrer Amtszeit ein Konzept vorgelegt. Wider besseren Wissens wurde ihr damals entgegengehalten, dass sie doch erst mal bei den Ausgaben sparen möge, bevor sie die Steuern erhöht. Viele hier im Saal wissen aber, dass es seinerzeit auf der Ausgabenseite nur marginale Sparmöglichkeiten gab. Alle hier im Saal vertretenen Fraktionen wissen auch, dass ein strukturell ausgeglichener Haushalt nur mit deutlichen Steuererhöhungen zu erreichen sein wird, solange das Konnexitätsprinzip bei der Finanzierung der Kommunen durch Land und Bund nicht beachtet wird. Als Verwaltungsfachmann weiß dies unser Bürgermeister Schmidt auch, belässt es aber bei Absichtserklärungen, reizt die Verluste und den Abbau des Eigenkapitals bis zur Schmerz-/HSK Grenze aus und überlässt den Haushaltsausgleich offensichtlich einem künftigen Bürgermeister oder einer künftigen Bürgermeisterin. Denn während seiner Amtszeit wird es ausweislich der Mehrjahresplanung und mit Blick auf die ab 2025 in der Ertragsrechnung zu berücksichtigenden Corona-Verlustrückstellungen von über 8 Mio. Euro keinen strukturell ausgeglichenen Haushalt mehr geben können.
Wir brauchen sicherlich eine gute und zeitgemäße Kommunikations-Infrastruktur, wir brauchen ein gutes Umfeld für Jung und Alt in Form von Kindergärten, Schulen, Verkehrswegen und örtlicher Versorgung sowie differenzierte Wohnraum- und ÖPNV-Angebote und gut ausgestattete Rettungsdienste. Aber überlassen wir die Bezahlung unseres Komforts bitte nicht den nachfolgenden Generationen.
Die SPD-Fraktion ist bereit, Konzepte für einen strukturell ausgeglichenen Haushalt mitzutragen, auch wenn dies mit Steuererhöhungen verbunden sein wird. Die Initiative dafür muss angesichts der Mehrheitsverhältnisse im Gemeinderat jedoch von der CDU und den Grünen ausgehen.
Weil es dieses Konzept nicht gibt, lehnt die SPD-Fraktion aus den vorgennannten Gründen und nicht etwa aus einem Oppositionsreflex diesen Haushalt ab.